Das Podium bei “Anne Will” diskutierte Waffenlieferungen an die Ukraine.Bild: NDR/Wolfgang Borrs
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Die Lieferung schwerer Kampfpanzer an die Ukraine wird derzeit heiß diskutiert. Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich nicht entscheiden. Was dauert so lange und wann ist mit einer Lieferung zu rechnen? Während europäische Politiker denken, sterben sie Menschen in der Ukraine.
Am 22. Januar im Studio bei “Anne Will”:
- Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung
- Roderich Kiesewetter (CDU), MdB und Außenpolitiker
- Lars Klingbeil (SPD), Parteivorsitzender
- Sönke Neitzel, Militärexperte
- Nicole Deitelhoff, Politikwissenschaftlerin
Unsicherheiten und Angst vor Entscheidungen
Der Druck auf den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius ist groß. Beim Treffen der Ukraine-Anhänger in Ramstein soll über die Auslieferung des schweren Kampfpanzers “Leopard 2” entschieden werden. Der Leopard 2 ist ein in Deutschland hergestellter Kampfpanzer und wurde bereits von vielen europäischen Partnern in Kriegen eingesetzt.
Es verzögert sich: “Da gibt es keine einheitliche Meinung”, sagte Pistorius nach der Ramstein-Konferenz. Er ist im Studio zugeschaltet und kann die Fragen der Moderatorin nur halbwegs beantworten. Man wolle Alleingänge verhindern, man stimme nicht zu und es fehle an Abstimmung mit dem transatlantischen Partner, dem Vereinigte Staaten von Amerika. Pistorius erklärt:
“Du triffst die Entscheidung nicht einfach so. Es geht um schwere Kampfpanzer, du musst sorgfältige und ausgewogene Entscheidungen treffen.”
Frühlingspaket im Wert von rund einer Milliarde Euro
Pistorius betont, dass die aktuellen Ereignisse in der Ukraine, die russischen Kriegsverbrechen und die humanitäre Situation herausfordernd seien Deutschland und seine Verbündeten und Partner, die Ukraine weiterhin mit Ausrüstung zu versorgen und Waffen zu unterstützen. Deutschland hat dafür bisher rund 3,3 Milliarden Euro ausgegeben. Das Frühjahrspaket für die Ukraine hat ein Finanzvolumen von rund einer Milliarde Euro.
Aber Deutschland hat noch keine Kampfpanzer geliefert. “Wie viel Zeit will und kann sich Deutschland leisten? Welche Folgen hat Untätigkeit?” wollte der Moderator von Pistorius wissen. Schuldzuweisungen würden jetzt niemandem helfen, entgegnet er. “Es geht um die Frage der Abwägung der Folgen des Nichthandelns, aber auch des Handelns.”
“Was gibt es noch zu beachten? Was lässt Herrn Scholz zögern?”
SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil ist im Studio und unterstützt die Sorgen der Kanzlerin: „Das ist eine historische Phase. In 30 Jahren werden wir zurückblicken und darüber reden. Und dafür ist Olaf Scholz verantwortlich.“
Klingbeil klagt oft über Debatten, die von der Öffentlichkeit geführt werden. Meist zum Nachteil seiner Partei. Die “schrillen Töne” der Debatte um die angebliche Handlungsunfähigkeit der Kanzlerin gehen ihm auf die Nerven. “Über so eine Entscheidung muss man im Kanzleramt nachdenken.”
Deutschland habe dafür keine Zeit, entgegnet Militärexperte Sönke Neitzel. “Was gibt es noch zu beachten? Was lässt Herrn Scholz zögern?” fragt er und wirft dem Bundeskanzler vor, er habe keine Argumente für seine Untätigkeit. Klingbeil zitiert die Kanzlerin mit den Worten, man wolle keine Kriegspartei werden und keinen Atomkrieg provozieren. “Es ist Unsinn, dass wegen so alter Panzer ein Atomkrieg kommt”, kontert Neitzel.
Die Netzseiten mit dem Militärexperten:
Wann kommt eine Entscheidung?
Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter hat kein Verständnis dafür, diese wichtige Entscheidung abzuwarten und zu verschieben. Deutschland habe eine Verantwortung und diese müsse getragen werden, sagt er immer wieder. An erster Stelle müssen wir der Ukraine helfen.
Außerdem würde man mit der Auslieferung ein deutliches Zeichen setzen Russland schicken und der Ukraine helfen, weitere Gebiete zurückzuerobern, nennt Kieswetter als Argumente für die Lieferung. „Die Entscheidung muss schnell kommen. Weil noch nichts geliefert ist, wird Olaf Scholz in Russland schon als Star gefeiert, man will ihm eine Medaille verleihen, ironischerweise natürlich.“er berichtet.
„Das erzeugt ein falsches Bild“, widerspricht Klingbeil. “Deutschland gehört zu den Spitzenreitern bei der Hilfe für die Ukraine. Ich bitte Sie, nicht so zu tun, als würden Sie die Ukraine im Stich lassen.”
“Warum kommt das so rüber?” neckt Will. Und wieder sieht sich der SPD-Politiker erklärungsbedürftig und vermeidet den Klassiker: „Scholz denkt im Kanzleramt darüber nach und handelt intern.“ Man denke besser in „Szenarien“, fährt er fort. Niemand weiß, wozu Putin fähig ist und wie er auf die Lieferungen reagieren wird:
“Wenn Sie das erwähnen, heißt das: Deutschland gibt nach. Ich habe keine Angst vor Putin. Ich bin dafür, dass wir weitere Schritte gehen.”
Neitzel willigt ein, gibt aber nicht auf. Der Krieg werde lange dauern, warnt er. Sie müssen alte sowjetische Panzer durch neue aus dem Westen ersetzen. “Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu liefern. Damit die Ukraine nächstes Jahr noch existiert.”