Köln: Divertissementchen 2023 feiert eine umjubelte Premiere

Das Divertissementchen 2023 feiert im Staatshaus der Oper eine umjubelte Premiere.

Ganz zum Schluss brachte Jürgen Nimptsch, Baas von Cäcilia Wolkenburg, in seiner Rolle als Funkenkommandant Georg Peffenhausen die Botschaft des kleinen Divertissements 2023 auf den Punkt: „Ohne uns ist Fraulück nur die Hälfte wert, nur zusammen sind wir Fastelovend.“ Ein Blick in die Geschichte zeigte, wem wir es zu verdanken haben, dass wir heute Karneval so feiern, wie wir ihn feiern: dem Wievern vun Kölle.

Da war das Publikum nicht mehr zu bremsen – frenetischer Applaus, Standing Ovations, Groupie-Gekreische, Mitsingen, „Ov krüzz oder quer,/ of Knääch oder Här,/ mer losse nit, mer losse nit vum Fasteleer“. Verdiente Anerkennung bei der Premiere des Stücks “Fastelovend zesamme!” für die 94 Laiendarsteller, Sänger und Tänzer der Bühnenspielgemeinschaft „Cäcilia Wolkenburg“ des Kölner Männergesangvereins, die in dieser wohl einmaligen Mischung aus Operette, Musical und Tanzrevue mit kölschen Tönen und begleitet von den Bergischen Symphonikern und der „Westwood Slickers“, überzeugend in jeder Hinsicht. „Et Zillche“, wie die Leute das seit 1874 aufgeführte Spektakel liebevoll nennen, konnte endlich wieder uneingeschränkt aufgeführt werden.

Verkleidete Schauspieler stehen auf der Bühne.  Einige tragen Federschmuck oder Hüte.

Zesamme Fastelovend fiere wollen Änni (Karl Gesell), Margarete (Rainer Wittig), Georg (Jürgen Nimptsch), Lisa (Manuel Anastasi) und Stina (Simon Wendring, von links)

In der vorherigen Session mussten sich die Schauspieler wegen Corona mit Masken durch das Stück quälen. Jetzt spielten sie frei, die schönen Kostüme kamen zur Geltung und dank moderner Tracking-Technologie wurde das Hörerlebnis zusätzlich optimiert: Über ihnen ist die Verstärkung des von den einzelnen Sängern ausgehenden Tons zu hören, damit der Zuschauer sie besser erkennen kann wo sie die aktive Sängerin gerade auf der Bühne steht. Außerdem gab es im Zuschauerraum Bildschirme, auf denen die Kölner Liedtexte eingeblendet wurden, was die Verständlichkeit verbessern und das Mitsingen erleichtern sollte. Was von einem Entzugspublikum euphorisch aufgenommen wurde.

Wie es zum ersten Rosenmontagszug kam

Aber zurück zum Stück (Regie und Buch Lajos Wenzel, Texte von Johannes Fromm und Manfred Schreier): 1823 ist Köln seit acht Jahren preußisch. Die Abschaffung der französischen Schutzgesetze hat die Kölner Gesellschaft gespalten. Die Armen werden immer ärmer, während nur die Reichen vom Wirtschaftsboom profitieren. Die besseren Bürger treffen sich an Fasching zu eleganten Maskenfesten, während die unteren Schichten, also Bauern, Handwerker oder Marktleute, wilde, ausschweifende Feste auf den Straßen feiern. Letzteres ist den Mächtigen ein Dorn im Auge. Sie verlegen eine Sondereinheit nach Köln, um dem Treiben Einhalt zu gebieten.

Verkleidete Tänzer auf der Bühne.

Für Begeisterung sorgten auch die zahlreichen Tanzeinlagen.

Doch vier freche Frauen, zwei aus der Oberschicht, zwei aus dem einfachen Volk, wollen den Karneval nicht verbieten lassen und verbünden sich gegen die Preußen, gegen Griesgram und Muckertum. Unter dem geschickten Einfluss ihrer Männer, dem „Regulierungsausschuss“ und der „Großen Faschings-Gesellschaft“ (heute die Große von 1823) entwickelten sich in den besseren Kreisen, im Volk die „Roten Funken“ als Satire auf das Militär im Gewand die ehemaligen Stadtsoldaten, sowie die “Helligen Knäächte und Mägde” als Vertreter der bäuerlichen Tanztradition. Die Idee eines streng geordneten Faschingsumzugs rund um einen „Heldenkarneval“ am Rosenmontag, der damals Rosenmontag hieß, war geboren. Lieber Karneval feiern als gar nicht.

Divertissementchen 2023: Musik und Geschichte in einem unterhaltsamen Spektakel

Keine Sorge, “Fastelovend Zesamme!” ist kein langweiliger Historienschinken, sondern ein bunt inszeniertes Theaterspektakel voller Lebensfreude, Musik und Humor in opulenten Bildern, die auch mal gerne Geschichte Geschichte sein lassen. Es wird intrigiert, getratscht, getrunken und gemobbt, man macht sich über Eitelkeit lustig und feiert sie, heutige Minister werden genüsslich als preußische Vorgänger (oder Vorgänger?) persifliert (Szenenapplaus für Klabauterbach), das zeigt schon vor zweihundert Jahren die Bandbreite Fastelovends. Was heute zwischen Gürzenich und Zülpicher Straße passiert, zwischen Pfarr-, Stunk-, Kneipen- und Fernsehtreffs, zwischen Veedelsbiwak und Schullzöch, passierte schon damals. Die soziale Komponente inklusive.

Und alles vereint die Lebensfreude und die einzigartige Bandbreite an Musik. Klassische Elemente wie Opernarien oder barocke Streichersätze werden mit den Hits der Gegenwart oder Karnevals-Evergreens kombiniert, Originaltexte werden ebenso verwendet wie eigens geschriebene Stücke. Und der Klang der Chöre verleiht dem Ganzen ein zusätzliches neues Gewand, sei es beim Funkenschwur oder wenn die Beueler Wäscherinnen, die Erfinder des Wieverfastelovend, den BAP „Laundromat“ aufführen. Die Medleys lassen zwischen Mozart und Kasalla, Vivaldi und Bläck Fööss, Smetana und Colör, Albert Lortzing und Karl Berbuer, „Pack deine Badehose“, „Doktor Pillemann“ oder „Pommes und Champagner“ nichts aus. Getanzt wird in der fröhlichen Tradition von Jungen und Mädchen oder als großes TV-Ballett, und natürlich ist das Mariechen im Finale ein Mann. Wie übrigens alle Schauspieler. Der Begeisterung des Publikums tut das keinen Abbruch, im Gegenteil. Wer nach diesem Abend keinen klaren Kopf mehr hat und keine Lust mehr hat, sollte schnellstens auswandern – vielleicht ins preußische Berlin?!


Fastenzesamme!, Divertissementchen 2023 in der Staatshausoper, Rheinparkweg 1, 50679 Köln-Deutz. Es gibt nur noch Restkarten für die 29 Vorstellungen bis zum 21. Februar. Das WDR-Fernsehen sendet am Samstag, 18. Februar, ab 11 Uhr Koelnticket.de