Theater
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Ohne Musik ist das Leben gefährlich
Spannend, nicht nur für junge Opernfans: „Hilfe, Hilfe, die Globolinks“ von Giann Carlo Menotti.
Foto: Theater Trier
Trier Gian Carlo Menottis Kinder- und Familienoper „Hilfe. Hilde, die Globolinks“-Premiere. Ein Glücksfall in jeder Hinsicht und ein hochaktueller noch dazu.
„Kunst kann Leben retten“ steht in großen Lettern auf der roten Warnweste der Hamburger Kunsthalle, die diesmal bei mir zu Hause unter dem Weihnachtsbaum lag. Eigentlich hätte man am Samstag im Trierer Theater so eine Weste an jeden der großen und kleinen Besucher verteilen sollen. Denn genau darum ging es an diesem Abend: um die vitale und lebensrettende Kraft der Kunst, hier besonders der Musik.
„Hilfe, Hilfe, die Globolinks“ lautete das Motto im großen Haus, in dem Gian Carlo Menottis gleichnamige legendäre Kinder- und Familienoper Premiere feierte. So ziemlich alles an dem 1968 an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführten Werk ist legendär: der Komponist, der Auftraggeber, Intendant Rolf Liebermann, der frühe Einsatz elektronischer Musik und das Bühnenbild. Mittlerweile sind die „Globolinks“ zu einem Klassiker geworden, der in diesen Tagen der Pandemie-Folgen und der weit verbreiteten unangemessenen Bewertung von Kunst und Kultur nach ihrem praktischen Nutzen wieder hochaktuell ist. Als Projekt der kulturellen Bildung, lange bevor der Begriff in aller Munde war, feiert Menottis Oper nicht nur die existentielle Bedeutung der Musik. Der Arbeit liegt auch die zutiefst demokratische Grundhaltung zugrunde, wonach Kunst und Musik allen zugänglich gemacht werden müssen, aber mit Qualität und nicht durch Niveaunivellierung.
Menotti widmete seine Oper „Kindern und allen Junggebliebenen“ (auf Deutsch wurde daraus „Für Kinder und alle, die Kinder lieben“). Die Nachricht kommt weiterhin an, wie es erneut in Trier der Fall war. Ein bunt gemischtes Publikum, darunter viele Kinder und Jugendliche, hat sich an diesem Abend im Großen Saal versammelt und erwartet die Fremden aus dem All gespannt.
Die erste Mondlandung habe ihn zu seiner Oper inspiriert, berichtete Menotti. Seine Globolinks sind gefährliche Aliens, die sich durch elektronische Klänge und Geräusche ausdrücken und für Menschen gefährlich werden. Die Offscreen-Warnung ist deutlich, als sich der Vorhang auf einem belebten Spielplatz hebt. Lass uns gehen. Diejenigen, die von den unkultivierten Eindringlingen berührt werden, verlieren ihre Sprache und werden selbst einer von ihnen. Glücklicherweise sind sie sehr allergisch gegen irdische Musik. Mit ihrer Hilfe werden sie dann erfolgreich abgeschoben, wenn sie eine Schulklasse erwischen wollen, die mit dem Bus zurück zur Schule fährt und ihre Musikinstrumente nicht dabei hatte.
Außer der kleinen Emily, die sich mit der Geige auf den Weg macht, um Hilfe zu holen, und dabei von den Globolinks in Lebensgefahr gerät. Der Direktor der Schule, Dr. Stone. Ein Technokrat, der Musikunterricht für zweitrangig, wenn nicht sogar für entbehrlich hält. Für die anderen: Ende gut, alles gut. Nur der engagierte, in Dr. Stones verliebte Musiklehrer muss einen neuen Heiratskandidaten finden.
Oliver Klöter inszeniert die Oper, die aus einem Akt mit vier Szenen besteht, wunderbar stimmig als märchenhafte Parabel ohne überflüssigen Lärm und Getue. Aber mit einer klaren, prägnanten Botschaft, die in der Erzählung nie das fiktionale Element des Märchens und das symbolische Element der Parabel verlässt. Darko Petrovic hat für ihn wunderbar poetische Bühnenbilder und Kostüme geschaffen, die sowohl die Poesie der Geschichte als auch ihren Humor unterstreichen. Klöters Globolinks sind unheimliche, gruselige Gestalten. Sie könnten auch aus der Sterilität eines Labors stammen, ebenso wie sie als Sinnbild für ignorante Kulturpolitiker und eine auf abrechenbaren Nutzen ausgerichtete, durchökonomisierte, kalte Welt gelesen werden können.
Kulturelle Bildung beinhaltet für Menotti Offenheit für das Unbekannte und eine gelungene Beziehung zwischen Tradition und Innovation. Das vermittelt auch seine Oper in ihrer Mischung aus tonaler und elektronischer Musik, aus Zitaten und neuen Ideen. Die Sänger und das Orchester meistern diese Mischung fabelhaft.
Einat Aronstein ist eine berührende Emily, die im wahrsten Sinne des Wortes auf zarter Saite Geige spielt. In ihrer schwierigen Rolle als Musikpädagogin Madame Euterpova schafft Silja Schindler, die für Arminia Friebe einsprang, überzeugend die Balance zwischen Skurrilität, Kühnheit und Hingabe an die Musik. Stimmlich und spielerisch ist André Baleiro ein umwerfender Busfahrer Tony. Und Derek Rue überzeugt als positivistischer, am Ende sprachloser Schulleiter Dr. Stone, den die Globolinks mit einem Korb und etwas Theaternebel schließlich auf den Takelageboden – pardon – in den fernen Raum ziehen.
Wie aus einem Kinderbuch kommen sie mit ihren lustigen Namen daher: die niedliche Mathematiklehrerin Miss Penelope Newkirk (Noriko Kaneko), der Literaturprofessor Mr. Lavender-Gas (Roman Ialcic), Professor Dr. Turtlespit (Karsten Schröter) und Hausmeister Timotheus (Thorsten Büttner). Der Kinder- und Jugendchor des Theaters unter Martin Folz meistert seine Aufgabe perfekt.
All das wäre nichts ohne die Philharmonie der Stadt Trier, die unter Wouter Padbergs konturiertem Dirigat nicht nur die vielfältige, vielstimmige und durchaus widersprüchliche Struktur der Musik eloquent hörbar macht, sondern auch ihren Witz und Humor. Bleibt noch zu erwähnen, dass Paul Hess für die Choreografie verantwortlich zeichnet.
Und die jungen Opernfreunde im Saal? Gespannt und aufmerksam verfolgen sie das Geschehen auf der Bühne, bevor am Ende Jubel ausbricht. „War toll“, strahlt der kleine Junge mit den strahlenden Augen hinter der runden Brille, später neben mir in der Garderobe. Ein rundum gelungener Abend.
Nächste Vorstellungen: Freitag, 27. Januar, 18.30 Uhr, Sonntag, 5. Februar und Sonntag, 12. März, jeweils 16 Uhr, und Montag, 10. April, 17 Uhr