Gabriele Wohmann und ihre Filme über Liebesbeziehungen im Wirtschaftsboom

Als eine der ersten Frauen schrieb die Schriftstellerin in den 1960er Jahren Fernsehgeschichte. Das Kino Arsenal zeigt nun einige ihrer Werke.

Eine Filmszene mit Gabriele Wohmann und Heinz Bennent aus dem Fernsehfilm Entzieh von 1973.

Eine Filmszene mit Gabriele Wohmann und Heinz Bennent aus dem Fernsehfilm Entzieh von 1973.TelePress/United Archives/IMAGO

Laura geht ins Sanatorium. Mit wenig Gepäck zieht sie in ein Zimmer mit Blick auf Wiesen und Bäume. Die Mitarbeiter sind verständnisvoll, das Haus bietet dem deutschen Mittelstand der frühen 1970er-Jahre einen würdigen Krankenhausaufenthalt. Die Frau will ihre Tablettensucht loswerden. Aber will sie das wirklich? Ihre Off-Stimme kündigt etwas zu rezitiert an, dass sie sich künftig „in der Leistungsgesellschaft besser beweisen“ wolle. In einem ruhigeren Moment beschreibt sich die Patientin als „Außenweltkranke“, was glaubwürdiger klingt.

Jedenfalls drängt die Außenwelt in diesem Refugium weiter auf sie, in Form von Flashbacks, aber auch durch konkretes Personal. Ihr besorgter Ex-Mann, der viel ältere Gelegenheitspartner und ein viel jüngerer Liebhaber treten ein und aus. Als Laura nach einigen Wochen in den Kreis der „Normalität“ zurückkehrt, ist die Hoffnung auf einen Neuanfang kaum noch zu spüren. Das Fernsehspiel „Entzug – Ein Tagebuch“ hatte bei seiner Ausstrahlung am 6. Juni 1973 mehr als zwei Millionen Zuschauer. Was neben der brisanten Thematik auch mit der Besetzung und Autorschaft in Personalunion von Gabriele Wohmann (1932-2015) zu tun hatte. Als Autorin von Gedichten, Romanen, Erzählungen, Essays und Hörspielen war sie damals eine der bekanntesten Schriftstellerinnen westlich der Elbe und galt als gnadenlose Analytikerin des entfremdeten Beziehungsklimas im späten Wirtschaftsboom. Dass sie auch dort die Entwicklung des Bewegtbildes maßgeblich mitgeprägt hat, wird nun in einer kleinen Filmreihe erinnert.

Geschichten über unentschlossene Frauen

Bereits mit ihren ersten Arbeiten für die Leinwand schrieb Wohmann Fernsehgeschichte. „Das Rendezvous“ war eines der frühesten deutschen Fernsehszenarien, das 1965 von einer Frau geschrieben wurde. Da der Begriff „neue Innerlichkeit“ erst später in der Literaturwissenschaft in Mode kam, nahm Wohmann hier mutig deren Methoden vorweg: streng subjektive Perspektiven, assoziativ, ja phantasmagorisch Einschübe, die nie in ein moralisierendes Finale münden.

„Rendezvous“ erzählt auch die Geschichte einer unentschlossenen Frau. Aus Frust beginnt die Frau eines erfolgreichen Werbefachmanns eine Affäre, weiß aber nicht, ob sie das Abenteuer ernst nehmen soll oder nicht. Als ihr ungeduldiger Quasi-Liebhaber sie drängt, zischt sie entnervt: „Ich mag keine Leidenschaft!“ Die verkorkste Beziehung wird flankiert von irritierenden Nebenhandlungen. Keine der Zeilen findet ihre klassische „Erzählung“, mehrere Endungen bleiben offen. Sie zeugen, ästhetisch konsequent, von einer generellen Entkoppelung und Instabilität. In diesem bis heute sehenswerten Film schwingt etwas vom skeptischen Erwachen der damaligen osteuropäischen New Waves mit. In Regisseur Thomas Fantl, geboren 1928 in Prag, wusste Wohmann, dass er einen geeigneten künstlerischen Partner hatte.

Die Filme von Gabriele Wohmann im Zeughauskino (Pei-Bau): „Das Rendezvous“ wird am 24. und 28. Januar gezeigt, „Der Rückzug“ folgt im Februar, „Offspring“ (1977) im März.