Mit seinem Projekt «Early Birds» dreht Michael Steiner derzeit den ersten Schweizer Film für die Streaming-Plattform Netflix. Bei einem Besuch am Set an der Zürcher Langstrasse erklärt der Regisseur, warum eine Netflix-Produktion weniger Druck ausübt als ein klassischer Schweizer Film.
Es wird dunkel, nass und kalt an der Langstrasse in Zürich. Der Schweizer Erfolgsregisseur Michael Steiner arbeitet derzeit am ersten Netflix-Film der Schweiz. Mit «Early Birds», was anderes als Arbeitstitel zum Einsatz kommt, dreht der 53-Jährige einen Neo-Noir-Thriller, in dessen Mittelpunkt zwei junge Frauen stehen.
Als ein Drogendeal schief geht, werden die beiden Protagonisten von der Polizei und den Dealern verfolgt – die Frauen erbeuten das Geld. Zu den Szenen gehören die Langstrasse und ein abgelegenes Chalet in den Schweizer Bergen. Näheres ist derzeit nicht bekannt.
Zur Besetzung gehören Anatole Taubman, die deutsche Schauspielerin Nilam Farooq (“Kontra”) und der Newcomerin Silvana Sons.
Beim Besuch am Set – genauer: vor der Piranha Bar an der Langstrasse – informiert Michael Steiner über sein aktuelles Projekt.
Die Idee wurde dem Filmemacher vor zwei Jahren präsentiert: „Sie haben mich gefragt, ob ich Regie führen möchte. Ich habe ein Jahr lang mit dem Drehbuchautor Thomas Ritter am Drehbuch gearbeitet“, sagt er. Der Regisseur legt großen Wert auf die Details. Er schätzt es auch, wenn die Schauspieler selbst ihm Input geben. Weil: “Das sind meine Partner und nicht meine Marionetten.”
Auch Nilam Farooq stimmt im Interview zu: “Ich werde es vermissen, so viel beitragen zu können wie bei Michael Steiner.”
“Michael Steiner ist mein Chef”
Als sich die aktuelle Hauptdarstellerin und der Schweizer Regisseur zum ersten Mal trafen, war der Deutsche jedoch etwas verloren: “Das Casting war für mich wegen der Sprache ein Kulturschock. Michi spricht wahnsinnig schnell – auf Hochdeutsch, aber nicht wirklich. Meistens hoffte ich nur, dass ich die Fragen richtig verstehen und beantworten würde.”
Und sie fügt lachend hinzu: «Michael Steiner ist mein letzter Gegner, wenn es um die Schweizer Sprache geht. Die meisten kann man sehr gut nachvollziehen. Michi als Maßstab zu nehmen, wäre schwierig gewesen.”
Steiner selbst war Feuer und Flamme, den 33-Jährigen für sein Projekt zu gewinnen. Erst letztes Jahr überzeugte sie mit ihrem Auftritt in Deutschland Kritiker “Kontra”in dem sie eine Studentin spielt, die von ihrem Juraprofessor (Christoph Maria Herbst) rassistisch beleidigt wird – und schließlich einen Deal machen muss, um mit ihm zu arbeiten.
Netlix macht vieles einfacher
“Frühaufsteher” ist der erste Film, den die Schweiz für den König der Streamingdienste produziert. Wie ist der Druck da, Herr Steiner?
“Ich bin befreiter, weil es Netflix ist. Bei Schweizer Filmen muss ich alle Förderinstitutionen durchgehen. Kommissionen entscheiden, ob ein Drehbuch gut ist oder nicht. Ich kümmere mich nur um eine Abteilung bei Netflix. Als Ergebnis gibt es klarere Richtlinien und eine klarere Vorstellung davon, was Netflix genau von mir und dem Film erwartet.”
Der Touristenansturm könnte folgen
Dass er die Schweiz vertreten will, liegt auf der Hand. Nicht selten lösen erfolgreiche Serien oder Filme auf Netflix eine Touristenflut aus – wie z “Emily in Paris”. Auch wenn Steiner mit der Langstrasse nicht wirklich die klassischen Schweizer Sehenswürdigkeiten zeigen kann, hat er einen Weg gefunden, das Matterhorn in den Film einzubauen: “Ich habe als erste Aufnahme ein Bild vom Matterhorn aufhängen lassen, dann stellt sich ein Passant vor das Bild und die Kamera fliegt hinaus in die Langstrasse», erzählt der Regisseur lachend.
Erst kürzlich antwortete der Direktor von Schweiz Tourismus, ob es automatisch zu einem Reiserummel führt, wenn eine Netflix-Produktion erfolgreich ist – nein, sagt Letzterer. Auch Michael Steiner hat das Interview gelesen – und hat den passenden Kontrapunkt parat: „Ich denke, es hat massive Auswirkungen auf den Tourismus in einem Land. Sobald Lex Netflix nächstes Jahr erscheint, wird es unzählige Filme mit Schweizer Wahrzeichen geben. Das wird dem Tourismus mehr bringen als jede Werbung mit oder ohne König Roger», sagt er und sieht verschmitzt drein.
«Early Birds» wird zusammen mit Netflix von CH Media und hugofilm produziert und soll im Herbst 2023 Premiere haben.