Stachelig, mitreißend, einzigartig – ihr zweites Album macht Billy Nomates endgültig zur britischen Hoffnung.
Dinge mit Spikes haben ein Imageproblem – das sollten wir ändern!
Schließlich gibt es kaum niedlichere tierische Besucher im Garten als einen Igel. Stachelschweine sind vielleicht auch keine perfekten Haustiere, aber sie machen sich überraschend gut in freier Wildbahn. Und ein Kaktus ist wahrscheinlich die härteste Pflanze, die es gibt – nicht einmal jemand mit einem verdorrten Daumen kann einen brechen. Außerdem baute er mit seinen Spikes eine Abwehrmaßnahme ein – ein wahres Wunderwerk der Natur.
Auch Billy Nomates hat Gefallen an dieser widerstandsfähigen Pflanze gefunden: so sehr, dass sie ihr zweites Album nach ihr benannt hat. Denn auch hier geht es darum, unter widrigsten Umständen zu überleben.
(einbetten)https://www.youtube.com/watch?v=le9DNwVZTFk(/einbetten)
Inspirationsquelle: Betrunkener Bully
Wenn dir das Leben Zitronen gibt… Du weißt bereits, wie dieser Zauber endet. Aber für Billy Nomates ist diese Weisheit besonders wichtig. Das fängt schon beim Künstlernamen an: Billys richtiger Name ist Tor Maries. Sie nennt sich Billy Nomates (also Billy ohne Freunde), da sich ein besonders sympathischer Zeitgenosse darüber lustig machte, dass sie beim Sleaford Mods Konzert alleine rumstand.
Seitdem ist Billy Nomates ihr Ventil, um über die großen Ungerechtigkeiten des Lebens zu kotzen.
Im Umfeld jener Sleaford Mods machte sich das Ein-Personen-Projekt schnell einen Namen: Mit kratzigen Drum-Machines, klassischen Post-Punk-Instrumenten und einem Hang zum Rap eroberten sie sich schnell die britische Szene. Zudem kam ihr Debüt im ersten Corona-Lockdown heraus und die frustrierten und gesellschaftskritischen Texte trafen genau den richtigen Nerv.
mit KAKTEEN jetzt veröffentlicht sie ihr zweites album und zeigt keinerlei ermüdungserscheinungen.
(einbetten)https://www.youtube.com/watch?v=koUeAL74Q-M(/einbetten)
Der bekannte Frust zieht sich immer noch durch die Texte von Billy Nomates. Allerdings hat sich der Fokus geändert: Statt wie im Debüt alles zwischen Regierung und Kapitalismus anzugehen, zettelt Billy einen Kampf mit den inneren Dämonen an. Denn auch wenn sie wie so viele andere ihren Durchbruch im Lockdown feiern durfte, hinterließ sie diesmal zu tiefe Narben. Gleich zu Beginn der Platte vermittelt „Balance is Gone“ perfekt das Gefühl, plötzlich im kompletten Chaos zu leben. Passend dazu singt Billy auch ein hektisches Duett mit sich selbst, während einzelne Synthie-Noten über dem ausladenden Bass schweben.
KAKTEEN Doch es ist weit mehr als eine reine Corona-Frustplatte – im letzten Song sehnt sich die Sängerin sogar nach dem Lockdown. Die Songs füllen auch zwischenmenschliche Beziehungen: mal wütend, anklagend, wie in „spite“, mal zurückgezogen, wie in „saboteur forcefield“. Besonders packend wird es, wenn Billy in „blue bones (deathwish)“ ihre eigene Depression zum Tanz auffordert und sich langsam von ihrem Todeswunsch löst. Trotz kratzigem Sound und Punk-Attitüde zeigt sich Billy KAKTEEN auch recht anfällig.
Natürlich kann es äußerst schwierig sein, so tief ins Persönliche einzudringen – kein Wunder, dass Billy Nomates ein paar Sicherheitsspitzen angebracht hat.
(einbetten)https://www.youtube.com/watch?v=i-cJH_byJ3Q(/einbetten)
Kreative Selbstverstümmelung
Beim Debüt konnte man die Musik von Billy Nomates ziemlich gut mit den Sleaford Mods vergleichen. CACTI reißt nun die Genre-Schubladen ein gutes Stück weiter auf. Im Herzen ist es immer noch rotziger Post-Punk, aber dieses Mal hat sich Billy auch von Country und Pop der 80er inspirieren lassen. So klingt die Platte gleich ein ganzes Stück vielseitiger: „Same Gun“ verzaubert mit groovigem Klaviergeklirr, während „Black Curtains in the Bag“ in die Welt des Synthie-Pops abdriftet. Im Mittelpunkt steht aber immer Billys Stimme, die zwischen Gesang, sehnsüchtigem Schwelgen und wütendem Spucken hin und her oszilliert.